„Esther Strauß beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit existenziellen Themen wie Verlust und Geheimnis, Liebe und Tod sowie mit der Beschaffenheit von Erinnerung und Vision. Mittels Performance, Text und Fotografie hinterfragt sie diese Themen, rückt sie in den Blick und überhöht sie eindrucksvoll mit den Mitteln der Wiederholung, Vergrößerung und Verlangsamung. Aus daseinsbedingten Fragen werden prägnante Gesten, die uns auffordern, uns zu konfrontieren. […] Man muss die Inspirationsquellen der Künstlerin nicht kennen, denn ihre Kunst enthüllt vermeintlich persönliche Gefühle als Affekte aller. Das Leben und die Träume sind wie die Seiten ein und desselben Buches, es von vorne bis hinten zu lesen ist Leben, darin zu blättern ist Träumen. Beides hat nichts mit Verstehen zu tun. Das Privileg von Künstler*innen ist es, ihr Wissen nicht begründen zu müssen.“ »zum Volltext«

Florian Waldvogel

(✶1969) war Assistent von Kasper König, Co-Kurator der Manifesta 6, Direktor des Hamburger Kunstvereins und ist gegenwärtig Leiter der Modernen Sammlung am Ferdinandeum Innsbruck.

“Das Versteck von Robin Hood war der Sherwood Forest, Andreas Hofer versteckte sich auf der Pfandler Alm, Osama Bin Laden in Pakistan, der italienische Mafiaboss »Mamma« Pelle hinterm Schrank in seinem Haus. Verstecke brauchen aber nicht nur Personen, die von Häschern oder der Polizei gesucht werden. Ein gutes Versteck braucht eigentlich jeder – das ganze Leben lang. Der Bedarf beginnt in der Kindheit, in der »Verstecken« und »Fangen« zu den wichtigsten Spielen gehören. Der Bedarf zieht sich über die unsicheren Verpuppungsphasen der Pubertät, reicht weiter in die Ehephasen, in denen die Partner einzeln in Werkstätten, Gemüsegärten oder Fitnessstudios verschwinden, bis hin zu diversen Lebenskrisen, in denen man sich in Verstecke wie Drogen, Manien oder Hobbys stürzt. Ein gutes Versteck schützt also nicht nur vor Zugriff oder dem Gefunden-werden, ein gutes Versteck kann mehr. Es erschafft neben Schutz auch eigene Fantasien. Es erzeugt eine intime Parallelwelt – enthoben der Umgebung und der Zeit. Die Skulptur von Esther Strauß mit dem Titel Das Versteck zielt genau auf solch eine intime Atmosphäre. […] Es gibt die Kapsel zweifach. Die eine Version wird von Esther Strauß im belebten öffentlichen Raum in Innsbruck ausgestellt, die andere an einem geheimen Ort irgendwo in Tirol versteckt. Erst wer diese zweite Version / das Original zufällig findet, kann sich darin wahrlich verstecken.“ »zum Volltext«

Vitus H. Weh

(✶1965) ist Kulturwissenschaftler, Ausstellungsmacher, Gründungsredakteur der springerin und unterrichtet Museums Studies an der Kunstuniversität Linz und der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Auf Basis seiner Konzeptionen wurde das Q21 im MQ Wien und die Music City im Wiener Gasometer etabliert.

„Esther Strauß bettet sich in die Erde vom Grab ihres Großvaters, wäscht sich mit der Erde, die ihn birgt und zu der er geworden ist. […] Die Arbeiten erzwingen einen voyeuristischen Blick, der letztlich die Betrachtenden selbst trifft. Dieses nicht mehr wegschauen können erzeugt zugleich Erinnerung, macht die Bilder unvergesslich und entzieht sie jeder Flüchtigkeit. Nichts an den ausgestellten Arbeiten ist eine Momentaufnahme, man möchte die Werke vielmehr als Projekte beschrieben, die einem Verlust an Ritualen begegnen, Rituale, die es braucht, um der Vergänglichkeit zu begegnen, die unausweichlich ist und uns zugleich mit Lebendigkeit erfüllt. Wo sind unsere Toten? Wie setzen wir uns mit ihnen in Verbindung? Wie schützen wir die Erinnerung vor dem Vergessen?” »zum Volltext«

Brigitte Felderer

ist Kuratorin, Kulturwissenschaftlerin und leitet den Studiengang Social Design an der Akademie für angewandte Künste in Wien.

„Esther Strauß’ Ausgangsmaterial für ihre installativen Arbeiten, bestehend aus Text, Bild und/oder Objekten, ist der unwiederholbare performative Akt. Der Text, meist ein geplotteter Schriftzug an der Wand, versehen mit einer rätselhaften Zahl, birgt in sich die Nacherzählung einer Handlung, die unter Ausschluss des Publikums stattgefunden haben soll. Die Zahl repräsentiert ihr Lebensalter in Tagen zum Zeitpunkt der Performance. Sowohl die Zahl als auch der Text weisen auf das prekäre Verhältnis zwischen Faktizität und Fiktion hin Zusammen mit Performancefotografien begegnen uns Strauß’ Arbeiten als Inszenierungen im Sinne einer mise-en-scène. Die einzelnen Elemente können zwar als Werkgruppe oder Serie verstanden werden, fungieren jedoch ebenso als autonome Arbeiten, in die die Performance eingeschrieben ist.“ »zum Volltext«

Karolina Radenković

ist Kuratorin und Leiterin der Galerie 5020 in Salzburg. Radenković studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und ist Mitbegründerin der BILDEATGE, Verein zur Förderung zeitgenössischer Kunst.

„Es sind einfache Gesten, Worte und Handlungen, die die künstlerische Arbeit von Esther Strauß ausmachen. Bisweilen ist ihre Kunst ein Spaziergang, dann ein Brief. Manchmal eine Berührung, oder ein Gespräch. Gemeinsam ist allen bisherigen Projekten, dass sie von Esther Strauß als Situationen angelegt sind und letztlich eine Form der Kommunikation (mit oder ohne Worte) beschreiben. […] sther Strauß ist in ihren Arbeiten präsent und als Mensch fassbar. Sie agiert prozesshaft und schafft mit ihren Konzepten einen Rahmen, in dem sie spricht und schreibt, geht und wartet bzw. sie auch berührt und beobachtet werden kann Ihre Arbeiten sind dabei ebenso poetisch wie radikal und erweisen sich als eine sehr authentische Form einer künstlerischen Praxis, die sich in subtil ausgeloteten Begriffsfeldern von Konzept- und Performancekunst im Allgemeinen sowie Handlungsanweisungen und „Relationaler Ästhetik“ im Speziellen verorten lässt.“ »zum Volltext«

Martin Hochleitner

ist Kunsthistoriker, Kurator und seit 2012 Direktor des Salzburg Museums.